Montag, 14. April 2008

Jan Ullrich: Ablasshandel im Sport?

In Abänderung der Aussage: die Grossen lässt man laufen, könnte man sagen: Wer zahlt, wir nicht bestraft. Schon bei Jackson haben wir es erlebt: Um der Strafe zu entgehen, konnte er einen Zeugen so vergolden bis dieser nicht mehr bereit gegen den Popstar auszusagen. Nun lesen wir in n-tv.de etwas Aehnliches:

Ermittlungen eingestellt, obschon:

"Ullrich hat gedopt"

Jan Ullrich kann nach der Einigung mit der Bonner Staatsanwaltschaft gegen Zahlung einer sechsstelligen Summe nur kurz verschnaufen. Unabhängig von der Entscheidung, die Betrugs- Ermittlungen einzustellen, laufen weitere Zivilverfahren im Zusammenhang mit dem Doping-Verdacht gegen den 34-Jährigen und die Staatsanwaltschaft liefert sogar noch Ullrichs Gegnern Argumente. "Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben:

Ullrich hat gedopt", sagte der zuständige Staatsanwalt Fred Apostel.

Trotzdem scheint der ehemalige Darling der deutschen Fans nach der Einigung in Bonn durch eine rosarote Brille zu blicken.

"Ich war immer ein fairer Sportler. Etwas anderes wird auch niemand behaupten, der mich persönlich kennt. Meine Erfolge sind Ergebnis von harter Arbeit und der Leidenschaft für meinen Sport - und ich bin sehr stolz auf meine lange und erfolgreiche Karriere. Die Einstellung des Verfahrens gibt mir die Möglichkeit, mich auf meine Zukunft und neue berufliche Herausforderungen zu konzentrieren", sagte Ullrich, der im Februar 2007 zurücktrat.

Er könne allerdings "nicht verhindern, dass es auch nach der Erledigung der Betrugsvorwürfe noch immer Spekulationen über mich geben wird". In diese Richtung äußerte sich auch der geständige Doping-Kronzeuge und ehemalige Team-Kollege von Ullrich, Jörg Jaksche:

"Es ist sicher korrekt, dass der Vorwurf des Betruges fallen gelassen wurde, weil er keinen betrogen hat, wenn Doping gang und gäbe war. Aber jeder kann sich nach den bekannten Indizien seinen Reim auf Ullrich und das Thema Doping machen",

sagte er. "Doping war an der Tagesordnung"

In seiner vom Anwalt Marcus Hotze verbreiteten Stellungnahme benutzte Ullrich in 46 Zeilen nicht einmal das Wort "Doping" und betonte: "Ein Geständnis konnte es gar nicht geben, weil es keinen Betrogenen gibt." Diese stets wiederkehrende Wertung ist für Staatsanwalt Apostel ein Beweis für "eine Grundeinstellung, die im Radsport zur aktiven Zeit des Beschuldigten weithin vorherrschte". Im Klartext:

Doping war an der Tagesordnung. Laut Apostel war "Ullrich zwar ein herausragendes Talent, kam aber eventuell zu der Erkenntnis", dass er ohne Doping nicht konkurrenzfähig sein würde. Weil "Doping im Radsport in starkem Maße" verbreitet gewesen sei, wäre seine Hemmschwelle herabgesetzt worden.

Ullrich sei durch den Verlust seines Arbeitsplatzes, finanzieller Einbußen, "ganz zu schweigen vom Imageverlust", nach den Worten des Staatsanwaltes "genug bestraft".

"Zahlung ist aber kein Schuldeingeständnis"

"Meine Frau und ich sind froh, dass der überfällige Schlussstrich unter dieses Verfahren gezogen wurde. Ich habe lange überlegt, ob ich das Angebot der Staatsanwaltschaft annehmen soll ­ vor einem Gerichtsverfahren hatte ich keine Angst", sagte Ullrich. "Ausschlaggebend für meine Entscheidung war vor allem der Wunsch, meine Familie vom öffentlichen Druck des Verfahrens zu befreien. Auch wirtschaftliche Gründe haben eine Rolle gespielt ­ ein Kampf bis zum Freispruch hätte mich wesentlich mehr Geld gekostet. Zur Zahlung einer Geldauflage war ich nur bereit, weil der Grossteil der Summe für gute Zwecke bestimmt ist. Die Zahlung ist aber kein Schuldeingeständnis".

Die engagiert ermittelnde Bonner Behörde hat nach eigener Darstellung einen Zahlungsverkehr zwischen Ullrich und dem Doping- Netzwerker Eufemiano Fuentes in Höhe von 25.000 Euro mit Bank- Unterlagen belegt und per DNA-Abgleich nachgewiesen, dass 4,5 Liter bei Fuentes' gelagertes Blut Ullrich zuzuschreiben sind. Manipulierte Patientenakten der Sportmedizin Freiburg legen nach anderen Ermittler-Angaben nahe, dass Ullrich auch bei den bis zu ihrer Kündigung in der Uni-Klinik arbeitenden ehemaligen Teamärzten Lothar Heinrich und Andreas Schmid Eigenblut-Doping vorgenommen hat.

Kommentar: Obschon die Sache nicht ganz ausgestanden ist, gibt es zu denken, wenn Ullrich nach der Geldzahlung weiterhin verkünden kann, er sei unschuldig. Unverständlich ist ferner die Bemerkung, der Vorwurf des Betrugs könne fallen gelassen werden, weil Doping an der Tagesordnung gewesen sei. Somit lohnt es sich, eine Gesetzesübertretung zu machen, die gang und gäbe ist. Dann müsste jeder Normalbürger ebenfalls mit einer milderen Strafe rechnen können. Doch dies ist leider für Normalsterbliche nicht möglich, es sei denn, er heisse Jan Ullrich.

Aus dem Interview BILD:

BILD: Sie haben sich durch die Zahlung von 250 000 Euro „freigekauft“. Ist das nicht ein Schuldeingeständnis?

Ullrich: „Ich habe mich nicht freigekauft. Weil dieser Vorwurf absehbar war, habe ich lange gezögert, das Angebot der Staatsanwaltschaft anzunehmen. Das Verrückte ist doch: Es hätte mich viel mehr Kraft und viel mehr Geld gekostet, bis zum Freispruch zu kämpfen. Die Entscheidung, die ich getroffen habe, dient dem Schutz meiner Familie. Die Ermittlungen wurden übrigens ohne eine Schuldfeststellung beendet. Ein Geständnis konnte es auch nicht geben, weil ich niemanden betrogen habe.“

Jan Ullrich

Staatsanwalt erklärt:

„Ullrich hat gedopt“

21 Monate ermittelte der Bonner Staatsanwalt Fred Apostel gegen Jan Ullrich, um dann das Betrugs-Verfahren gegen Zahlung von rund 250 000 Euro einzustellen.