Mittwoch, 15. Oktober 2008

Eklat beim Deutschen Fernsehpreis

War der Wutausbruch inszeniert?

tagi-online:

So zog Reich-Ranicki über Blödel-Fernsehen her

Eklat beim Deutschen Fernsehpreis: Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki hat die Ehrenauszeichnung für seine Sendung «Das Literarische Quartett» vor laufenden Kameras zurückgewiesen.

Unter seinem Niveau: Reich-Ranicki kritisiert die Qualität des Fernsehens. Thomas Gottschalk ist konsterniert.

Unter seinem Niveau: Reich-Ranicki kritisiert die Qualität des Fernsehens. Thomas Gottschalk ist konsterniert. (Bild: Keystone)

Deutscher Fernsehpreis

Den Deutschen Fernsehpreis vergeben die Sender ARD, ZDF, RTL und SAT1 seit 1999. Die Verleihung wird am Sonntagabend im ZDF ausgestrahlt.

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Der 88-Jährige hatte den gläsernen Obelisken bei der Verleihung am Samstagabend in Köln nicht in die Hand genommen. Am Sonntag sagte er der Nachrichtenagentur AP auf Anfrage, die Produzentin Katharina Trebitsch habe den Preis in Verwahrung genommen. Er wolle ihn definitiv nicht haben.

Er habe zunächst nicht die Absicht gehabt, die Auszeichnung abzulehnen, erklärte Reich-Ranicki. Dass er den Ehrenpreis der Stifter erhalten würde, war bereits am 7. Oktober bekanntgegeben worden. Der Verlauf des Preisverleihung sei für ihn aber so «widerwärtig» gewesen, «dass ich es nicht ertragen konnte», sagte der 88-Jährige. «Es ist unglaublich, dass so etwas gesendet wird.» Reich-Ranicki schränkte allerdings ein, es sei «nicht alles schrecklich» gewesen, insgesamt aber so unerträglich, dass er die Entgegennahme des Preises spontan abgelehnt habe. Auf die Frage, ob er damit ein Zeichen setzen wolle, sagte er, die Bekundung persönlichen Unmuts sei immer auch ein Zeichen.

Bei der Verleihung hatte Reich-Ranicki die gezeigten Ausschnitte aus Fernsehsendungen als «Blödsinn» kritisiert. Der irritierte Moderator Thomas Gottschalk versuchte ihn zu besänftigen, indem er eine ZDF-Sendung zur Kritik Reich-Ranickis anbot. Das ZDF erklärte am Sonntag: «Ein Sendungskonzept soll bei einer Zusage des Kritikers bald erarbeitet werden.» Er werde sich an einem Klärungsgespräch beteiligen, sagte Reich-Ranicki der AP.

Kommentar: Ich könnte mir gut vorstellen, dass der ganze Eklat inszeniert war. Es ging alles wie abgesprochen über die Bühne. Gottschalk ist zwar reaktionsschnell. Wie er aber den Vorschlag zu einem Gespräch postwendend vorgetragen hatte, ging mir zu reibungslos. Zweifel am spontanen Ablauf  sind somit angebracht. Im Nachhinein zweifle ich daran, ob der Wutausbruch tatsächlich echt war. Er könnte im Geheimen geplant gewesen sein. Vielleicht sogar zusammen mit Gottschalk. Was mir jedoch zu denken gab, ist das, was die Online Medien während des Eklats gemacht hatten. Die Medien müssen bekanntlich immer schneller werden und stolperten nun beim unablässigen Bemühen um Schnelligkeit. Der Berliner Kurier berichtete bereits vor der Verleihung über das Ende der Veranstaltung. Dass Ranicki den Preis ablehnen würde, damit hatten die Journalisten nicht gerechnet. Sie schrieben bereits vom Diner mit Gottschalk.

Geschwindigkeit geht heute vor Qualität!

Spiegel, Zeit und Fokus schrieben alle einander den gleichen Fehler ab: Reich Rannickis Tochter hätte den Preis nach der Zürückweisung entgegengenommen. Es war aber die Fernsehproduzentin Katharina Trebitsch, die Gottschalk den Preis abgenommen hatte.

Fazit: Lieber weniger schnell informieren - dafür richtig!

Ich zitiere Bild-online:

Thomas Gottschalk und Marcel Reich-Ranicki: So lief die große Aussprache

Gottschalk & Reich-Ranicki So lief die große Aussprache

Nach dem Eklat beim Deutschen Fernsehpreis

BILD-Reporter Mark Pittelkau und Marcel Reich-Ranicki

Reporter Mark Pittelkau mit Marcel Reich-Ranicki

Fernseh-Deutschland ist gespannt auf dieses Gipfeltreffen! Gestern zeichnete das ZDF die Diskussion zwischen Thomas Gottschalk und Literatur-Papst Marcel Reich-Ranicki auf. Das Streitgespräch über das Niveau im TV wird Freitag um 22.30 Uhr unter dem Titel „Aus gegebenem Anlass“ ausgestrahlt.

Gottschalk hatte nach Reich-Ranickis Wutrede beim 10. Deutschen Fernsehpreis angeregt, eine gemeinsame Sendung über das deutsche Fernsehen zu gestalten.

Gestern Nachmittag, Kurhaus Wiesbaden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sitzen sich Gottschalk und Reich-Ranicki im Carl-von-Ibell-Zimmer (schwere Leuchter an den Decken, dunkelrot bezogene Messingstühle) gegenüber.

Der TV-Star trägt eine grüne Weste, die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt. Der Literatur-Papst einen blauen Anzug, die Krawatte eng gebunden.

Gottschalk geht gleich auf die bitterböse Kritik von Reich-Ranicki ein, sagt zum Literatur-Kritiker: „Die Intendanten von ARD und ZDF würden vielleicht sogar das Fernsehen machen, das du forderst. Aber sie machen es nicht, weil sie wissen, dass ihr dann unter euch wärt.“

Er selbst stehe eher „in der Mitte des Fernsehens“. Gottschalk zu Reich-Ranicki: „Ich mache Fernsehen für die Masse. Dafür werde ich vom Feuilleton in die Tonne getreten und von den Klofrauen geliebt. Kein Wunder, dass ich mich fast nur auf Toiletten aufhalte.“

Das Carl-von-Ibell-Zimmer im Kurhaus Wiesbaden

Hier fand das Treffen statt: Das Carl-von-Ibell-Zimmer im Kurhaus Wiesbaden

Nach 30 Minuten ist das Gespräch beendet. Gottschalk und Reich-Ranicki ziehen sich ins Restaurant „Käfer’s“ im Flügel des Kurhauses zurück.

Am Abend hielt Reich-Ranicki in Baden-Baden einen Vortrag für die BHF-Bank. Der Literatur-Kritiker ging dabei auch auf die Fernsehpreis-Verleihung ein, sagte:

„Ich hörte mir diese ganze Feier an und war entsetzt. Es wurden da kleine Fernsehausschnitte geboten mit irgendwelchen Clowns, irgendwelchem Unsinn, Blödsinn, Dreck, komplettem Dreck. Sowas wird in Deutschland gesendet jeden Tag. Die Fernsehdirektoren sagen, dass Publikum wünscht es, als wäre das Publikum eine Ansammlung von Idioten.“

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